Von Galmeien und Göhltalern

29. Jan 24

REISEBERICHT Von Jörg Berghoff

Ein wunderbares Wandererlebnis in drei Kapiteln bietet die „Venntrilogie“ in Ostbelgien, ein neuer Fernwanderweg zwischen Kelmis und Bütgenbach

Ein Baumstamm am Weg im Hornbachtal / Foto: Jörg Berghoff

„Kennst du echt nicht?“ Der Baumstamm am Weg im Hohnbachtal scheint uns auf den Arm nehmen zu wollen. Woher denn auch, um Gottes willen, die Wanderstrecke wurde doch gerade erst eingeweiht. Ja, gut, das Hohnbachtal hinter Kelmis ist bekannt für seine wunderbare Blütezeit wilder Narzissen und dem Vorkommen der Galmeiveilchen, die nur hier wachsen. Galmei ist auf erzhaltige Böden spezialisiert, die im 19. Jahrhundert Weltruhm erlangten. Denn im Bergbau werden Zinkerze so genannt. Vom Lateinischen „calamina“ abgeleitet, gab das dem Ort Kelmis/La Calamine seinen Namen. Und hier am Altenberg lag das größte Zinkerz-Vorkommen in ganz Belgien.

„Da staunst du echt, was?“ Aber keine Sorge, wer hier wandert, wird von Narzissen-, Wald- und Wiesendüften keineswegs derart betört, dass er beginnt, mit Holzstämmen am Wegesrand zu reden. Menschen, die Bäume umarmen, gibt es hier auch nicht besonders häufig, dafür aber ein Naturschutzgebiet, in dem das Galmeiveilchen bis heute überlebt hat. Und wer weiß, vielleicht wird es in Zukunft ja auch einen echten „Galmei-Göhltaler“ von Tobias Boffenrath aus seiner Käserei Göhltaler, dazu einen leckeren Gin aus der Brennerei Radermacher von Bernard Zacharias, der ältesten und ersten biologischen Brennerei Belgiens in Raeren.

„Kennst Du echt nicht? Komm, echt nicht?“ Dann nichts wie hin, denn die Venntrilogie bietet nicht nur faszinierende Wandererlebnisse, auch der Gaumen kommt hier nicht zu kurz.  

Auf Burg Reinhardstein kann man sich stärken und ausruhen von der Wanderetappe der Venntrilogie. / Foto: Jörg Berghoff

Wandern im Hohen Venn

Die neue Wanderroute „Venntrilogie“verbindet unterschiedliche Natur-und Kulturlandschaften vom Dreiländereck Belgien, Deutschland und den Niederlanden in ihrem nördlichen Teil bis nach Eupen. Das raue Hochmoor im Hohen Venn und seine wilden, einsamen Ebenen und Wälder bilden den Mittelteil. Und im Süden führt die Route vom idyllischen Warchetal über Burg Reinhardstein bis nach Bütgenbach. Insgesamt 109 Kilometer lang, sechs Etappen und drei Landschaften, das sind die Eckdaten zum neuen Fernwanderweg Venntrilogie, der Ende August 2023 in Eynatten in der Wallonie offiziell eröffnet wurde. Projektleiter Jef Schuwer und sein Team hat mit der „Venntrilogie“ eine Route geschaffen, die nicht nur ein neues  Eingangstor für Ostbelgien bildet, sondern auch ein bedeutender neuer Anziehungspunkt und Highlight für alle Wandernden in der Grenzregion darstellt. Ihr hoher Qualitätsanspruch wurde bereits von der Europäischen Wandervereinigung mit dem Gütesiegel „Leading Quality Trail Best of Europe“ ausgezeichnet. Damit gehört die neue Venntrilogie zu den besten der 22 Fernwanderwege Europas.

Name mit Symbolkraft

Der Name Venntrilogie besteht aus den Elementen „Venn“ und „Trilogie“. Dabei verweist „Venn“ auf die geographische Lage der Strecke, während „Trilogie“ auf die drei Landschaftstypen des Venns eingeht: die weiten Wiesenlandschaften im nördlichen Venn, das mystische Hohe Venn und die Wälder und Flusstäler im südlichen Venn. Zudem kombiniert der Name ein französischsprachiges und ein deutschsprachiges Element zu einem Namen, der in allen Sprachen Ostbelgiens und der Euregio-Maas-Rhein leicht auszusprechen ist. Drei Landschaften und sechs Etappen: diese landschaftlichen Besonderheiten spiegeln sich auch im Logo und der Beschilderung wider. Die beiden ersten Etappen sind mit grünen Schildern ausgestattet, die auf die umliegenden Wiesenlandschaften und den Hertogenwald verweisen. Etappe 3 und 4 führen aus dem Wald heraus in die geheimnisvollen Weiten des Hohen Venns. Die grau-beige Farbe der Beschilderung erinnert an den Nebel, der häufig über der Landschaft schwebt und weist auf die Mystik der Landschaft hin. Das Blau der Etappen 5 und 6 verweist auf das Wasser der Warche, das dem Wanderer während dieses Abschnitts der Venntrilogie ein ständiger Begleiter ist. Die Strecke zeigt besonders eindrucksvoll die Diversität des Venns und ganz Ostbelgiens. Dabei verbindet sie landschaftliche Merkmale und Wanderhighlights wie die Wiesenstiegel auf dem nördlichen Teil der Venntrilogie, die typischen Holzstege im Hohen Venn sowie die Schluchten und Hügelkammwege auf dem südlichen Teil der Strecke. Sie verläuft zudem größtenteils entlang bereits bestehender Wanderwege und des Wanderknotenpunktsystems. Durch die Anbindungswege an den Eifelsteig lässt sich die Wandererfahrung in der Grenzregion ganz einfach erweitern. Die Beschilderung vor Ort bietet neben Richtungsweisern in beide Richtungen der Strecke auch Hinweise zu den nächsten Zwischenzielen und die Anzahl bereits bewanderter Kilometer. Außerdem werden auf der Beschilderung Unterkünfte, Restaurants, öffentliche Verkehrsmittel und touristische Informationen angegeben.

Im mittleren Abschnitt der Venntrilogie gibt es zahlreiche Feuchtgebiete. / Foto: Joerg Berghoff

Gelebte Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist auf der Venntrilogie nicht nur ein Schlagwort, sondern wird hier auf allen Etappen großgeschrieben. So lädt sie zunächst zum Slow Travel ein und ist daher mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Am Bahnhof Eupen gibt es direkte Busverbindungen zum Dreiländereck und nach Bütgenbach, den Start- und Zielorten der Venntrilogie. Durch die Anbindung an den Eifelsteig wird den Wandernden ebenfalls die Möglichkeit einer Alternativstrecke durch Ostbelgien gegeben. Um den Naturliebhabern die Möglichkeit zu geben, die Vielfalt Ostbelgiens und der Eifel diesseits und jenseits der Grenze zu entdecken, haben die Tourismusagentur Ostbelgien und die Eifel Tourismus GmbH ein gemeinsames Reiseangebot entwickelt. Es besteht aus zwei Übernachtungen in Ostbelgien in Eupen und Raeren und drei Übernachtungen in Deutschland in Aachen, Monschau und Roetgen. Im Angebot enthalten sind neben den Übernachtungen Frühstück, Abendessen, Picknicks, Gepäcktransport, Informationsmaterial und der Transport von Aachen bis zum Vaalserberg am Dreiländereck, dem Startpunkt der Venntrilogie. Dieses Angebot ist über die Websites der beiden Projektpartner buchbar und verbindet in einer Schleife die ersten drei Etappen der Venntrilogie und die ersten beiden Etappen des Eifelsteigs über einen Verbindungsabschnitt von Eupen über das Brackvenn nach Monschau. Und man sollte sich nicht wundern, wenn man weitere Baumstämme mit seltsamen Fragen findet, auf der Venntrilogie redet die Natur eben gerne mit den Wandernden, Antworten findet man in den kleinen mobilen Dingern, die allerdings nicht überall im Hohen Venn Empfang haben. Zum Glück. 

Die Wasserläufe im Hohen Venn laden zur Abkühlung ein. / Foto: Jörg Berghoff

Weitere Informationen

www.venntrilogie.eu
www.ostbelgien.eu/de 
www.visitwallonia.de


Jörg Berghoff

Jörg Berghoff führt als freier Autor und Journalist seit 1998 ein Pressebüro für Tourismus, Kultur und Sport. Als Reisejournalist spezialisiert auf Irland, Groflbritannien, Europa und Australien. Studium der Kunstgeschichte und Ethnologie, Winzermeister und Buchhändler.